Straßennamen sind mehr als nur eine belanglose und beliebige Bezeichnung eines „landgebundenen Verkehrsbauwerkes“. Die Namen (oder Widmungen) einer Straße spiegeln den Zeitgeist und die gesellschaftlichen Prioritäten einer Epoche wieder. Und genau diese Prioritäten können sich über die Zeit auch wieder wandeln. Im Rahmen der Debatte um die Umbenennung der Wissmannstraße lässt sich das ganz gut erkennen: Die Straße in Unterbilk ist nach Hermann Wilhelm Leopold Ludwig Wissmann benannt. Wissmann war Gouverneur von Deutsch-Ostafrika, hat als Reichskommissar für Deutsch-Ostafrika 1888-1890 einen Aufstand blutig niedergeschlagen und war für seine grausamen Strafexpeditionen bekannt. Über das Wesen von Kolonien und „Schutzgebieten“ (sic!) und über die völkerrechtliche Bewertung einer solchen Machtausdehnung von imperialistischer Staaten muß man nicht diskutieren… oder etwa doch?
Wissmann war ein Kolonialverbrecher. Punkt. Da gibt es historisch nun wirklich wenig Interpretationsspielraum – auch wenn das einige LokalpolitikerInnen anders sehen wollen (oder ist das eine durch ihr Parteibuch-bedingte Fehlwahrnehmung?). Die Sichtweise auf Wissmann als historische Persönlichkeit hat sich seit 1945 geändert – genau wie die Sicht auf diesen Teil der deutschen Geschichte. Aus meiner Sicht gehört die Wissmannstraße – wie auch schon in anderen Städten – nicht zuletzt deshalb endlich umbenannt oder umgewidmet. Und wenn das schon nicht, dann sollte wenigstens eine Infotafel über Reichskomissar Wissmann als Namensgeber der Straße am Friedensplätzchen informieren (geht auch prima via QR-Code ). Oder noch einfacher: Aufkleber mit Link zum entsprechenden Artikel auf Wikipedia, der erklärt, wem eine Straße gewidmet wurde und warum diese Person so wichtig ist… Damit entfällt dann auch die eh ziemlich dünne Argumentation über die nicht zu beziffernden Folgekosten…
Apropos: Auch wenn einige PolitikerInnen das nicht hören möchten und eine Lawine an Umbenennungen befürchten – Straßen, die nach der Schlacht bei Sedan von 1870 benannt sind, oder, wie die Friedenstraße, (vermutlich) nach dem Frankfurter Frieden, also dem Ergebnis des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, brauchen ebenfalls eine Erklärung und historische Einordnung, die im öffentlichen Raum sichtbar sind. Einmal mit der Namenspate-Recherche angefangen, kanns übrigens direkt munter weitergehen: Wer waren denn gleich noch mal Franz Adolf Eduard Lüderitz (1834-1886), Carl Peters (1856-1918), Joachim Christian Nettelbeck (1738-1824), Theodor Leutwein (1849-1921), Julius Freiherr von Soden (1846-1921), Wilhelm Heinrich Solf (1862-1936), Adolph Woermann (1847-1911) oder Otto Finsch (1839-1917)? Auch hier wären Infotafeln ebenso hilfreich wie überfällig – genauso wie am Ulanendenkmal am Rheinufer. Das gehört aus meiner Sicht zur historischen Aufarbeitung – verschweigen und politisches Vertagen hingegen nicht.
Wer sich ein bisschen intensiver mit dem Thema beschäftigen möchte, also wo, wie und unter welchem ‚Label‘ sonst noch in Düsseldorf der Kolonialgeschichte gedacht wird, dem empfehle ich einen Blick in die Broschüre „Kolonialismus vor Ort – Kolonialbewegung und Vereine in Düsseldorf“ der HHUD. Schon merkwürdig welche Vereinsnamen (z.B. „1. Deutsche Schutztruppe und I. Reitertruppe von Lettow Vorberg„) immer noch geführt werden und auch welche Fahnen (Stichwort Reichskriegsflagge in Heerdt) noch immer stolz gezeigt werden… alles nur Folklore und Brauchtum?!